Evangelische Gemeinden des Altreichs

Bukarest, 10./11. November 2018

Evangelisch im Altreich

Von dem Synodalverband der Evangelischen Gemeinden an der Unteren Donau zu der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien


Bis 1918 Die Geschichte der evangelischen Gemeinden im Altreich speist sich aus drei regionalen Quellen: Moldau, Walachei und Dobrudscha. In die Moldau kam die Reformation schon 1420 mit den Hussiten, die sich her zurückgezogen hatten. Nach 1542 wurden dann die kleinen sächsischen und ungarischen Gemeinden Cotnari und Baia lutherisch. Die orthodoxen Fürsten verfolgten die Protestanten regelmäßig, obwohl mit Despot Vodă ein Protestant zeitweilig den Thron besteigt. In der Walachei wurde die Reformation ab 1557 unter den Sachsen der transkarpatischen Gemeinden Câmpulung, Târgoviște, Râmnic, Argeș und Bukarest eingeführt. Hier waren die Fürsten den Protestanten gegenüber tolerant. Im XVII. Jh. wurden sie aber von Franziskanern re-katholisiert. Ein Übergreifen der Reformation auf die orthodoxen Gläubigen gab es nie. In Bukarest blieb eine Gemeinde bestehen, da Siebenbürger Sachsen wegen dem neuen Habsburger Regime ihre Heimat hin verließen. Im XIX. Jh. begannen individuelle Zuzüge von Protestanten aus allen Ländern Europas in die Städte und in die Donauhäfen. In die Dobrudscha – damals Teil des osmanischen Reichs - gab es ab 1841 eine kollektive Einwanderung aus dem Süden des russischen Kaiserreiches. 1859 vereinigten sich die beiden rumänischen Fürstentümern und 1878 kam die Dobrudscha zu dem – inzwischen Königreich gewordenen – Rumänien hinzu. Die deutschen evangelischen Gemeinden und Schulen nahmen zu. Der größte Teil unterstellte sich dem preußischen Oberkonsistorium und erhielt von dort ihre Pfarrer. 1906 schlossen sie sich zu einer Körperschaft zusammen, dem Synodalverband der Evangelischen Gemeinden an der Unteren Donau“. In dem großen Krieg unterstützten die meinsten Pfarrer in deutsch-nationaler Gesinnung das Kaiserreich. Als Rumänien auf der Seite der Entente 1916 in den Krieg eintrat, wurden alle Deutschen und Österreicher auf einmal Feinde. Nach Ende des Krieges verließen infolgedessen viele das Land.

 

Nach 1918 Im Jahr 1920 entschloss sich der Synodalverband zum Zusammenschluss mit der evangelischen Kirche Siebenbürgens. Es entsteht der Bukarester Bezirk der EKR mit 20.000 Mitgliedern. Es ist eine Zeit des zähen Ringens um die Festigung von Gemeinden, Schulen und Vereinen. Der erneuete politische Aufstieg Deutschlands stärkte die Position der Gemeinden gegenüber dem Staat kurzfristig. 1940 verlassen aber die 14.000 Dobrudschadeutschen in der „Heim ins Reich“ – Aktion ihre Heimat. 1941 besetzen die rumänischen Streitkräfte die Region Transnistrien bis Odessa. Die dortigen, durch den Stalinismus verwahrlosten Gemeinden, werden bis 1944 von Bukarest aus betreut. Das Ende des zweiten Weltkriegs findet die Gemeinden des Altreichs in einen desolaten Zustand. Kirchen und Schulen waren zerbombt oder geplündert, die arbeitsfähigen Männer und Frauen wurden in die Sowjetunion deportiert. Vieles an Gemeinschafts- und Privatvermögen wurde verstaatlicht. Es begann die Zeit des Kommunismus, in der die immer kleiner werdenden Kirchengemeinden nur noch pastorale Betreuung erlebten, soziales Leben war nicht möglich. Kirchen wurden der Reihe nach aufgegeben und an andere Glaubensgemeinschaften vergeben. Durch Fehlen von Schulen und dem Anstieg von Mischehen setzte eine starke Romanisierung ein. Nach der Wende siedelten weitere Deutsche aus. Allein in Bukarest kam es durch Rückgaben und Neugründungen zu einem Aufschwung des Gemeindelebens.

 

Gegenwart Im Altreich werden heute rund 1.200 evangelische Gemeindeglieder gezählt, von denen allein 1.000 in Bukarest. Hier gibt es auch ein Pfarrzentrum mit zwei Pfarrern, regem Kulturleben sowie evangelische Bildung und Diakonie. Ökumene und Großstadtleben sind wichtige Bestandteile der Existenz. Die weiteren Kirchengemeinden bestehen aus wenigen Einzelpersonen, die sich bemühen, das gottesdienstliche Leben aufrecht zu erhalten.   

 

Foto: nach Preziosi Amadeo (1816 - 1882), Bukarest

Hans Petri

* 1880 Küstrin 1880, Preussen

+ 1974 Leonberg, Württemberg

 

Hans Petri kam aus Interesse an evangelischem Leben unter besonderen Bedingungen an die Untere Donau. Rumänien wurde ihm – trotz vieler Widrigkeiten – zur Heimat, für die er sich als Pfarrer und Historiker einsetzte.


Hans Petri wird als viertes von sechs Kindern in der Pfarrfamilie Petri in Küstrin in der Neumark geboren. Die Familie kam aus einer erweckten Kirchengemeinde aus Westfalen. Seine Jugend und die Gymnasialjahre verbringt er in Sorau (Niederlausitz), da sein Vater dort Superintendent ist. Er studiert Theologie in Tübingen, Erlangen und Berlin, wo er Adolf Harnack hört. Wie sein Vater auch fühlt er sich der Inneren Mission verpflichtet. Er meldet sich für den Dienst seiner preußischen Landeskirche im Ausland. Er wird in das junge Königreich Rumänien entsandt, in dem vor kurzem noch der Halbmond regierte. Da wird er Pfarrer und Leiter der Konfessionsschule in Turnu Severin. Er versteht sich als Vermittler von Kulturen, reist, beschreibt Land und Leute und knüpft im - 1906 entstandenen - Synodalverband der deutschen evangelischen Gemeinden an der unteren Donau Kontakte. Er empfängt Besucher, wie den Präsidenten des Gustav-Adolfs-Vereins, Franz Rendtdorff. 1911 feiert er mit der Gemeinde deren 50tes Jubiläum. Den Beginn des großen Krieges erlebt er und seine Gemeinde in deutsch-nationaler Gesinnung. Nach Ablauf von zwei Amtsperioden sucht er um Rückversetzung nach Preußen an. Infolge des Kriegseintritts Rumäniens an der Seite der Entente, 1916, wird er zum Feind erklärt und interniert. Er fällt in die Hände der zaristischen Armee und wird zuerst nach Odessa, dann in ein Lager nach Kasan gebracht. Dort tut er seelsorgerlichen Dienst. 1918 kann er Russland Richtung Deutschland verlassen, kehrt aber nach Turnu Severin zurück. Seine Versorgung durch den Oberkirchenrat aus Berlin fällt wegen dem Anschluss an die Siebenbürgische Kirche aus. Er wird daraufhin zweiter Pfarrer von Bukarest und unterstützt Rudolf Honigberger im neu gegründeten Dekanat. Mit Bischof Friedrich Teutsch nimmt er an einer Visitation in Siebenbürgen teil. Er setzt sich ein für die Konfessionsschule und Jugend, baut ein Ferienheim in Bad Burnas (heute: Lebedivka/Ukraine) und betätigt sich als Historiograph. 1937 wird er Stadtpfarrer und Dechant. Bei der Umsiedlung der Dobrudscha-deutschen hälte er persönlich überall Abschiedsgottesdienste. 1941, als die südliche Ukraine unter rumänische Besatzung fällt, ist er beauftragter Dechant für die evangelischen Gemeinden um Odessa, wo er Massentaufen vollzieht. Trotz seines deutsch-nationalen Geistes wird er Gegner der Nationalsozialisten und hat Kontakte zu Schulenberg und von Haeften. Er widersetzt sich der Übergabe der Konfessionsschulen an die Deutsche Volksgruppe. Nach 1944 wird er vier Tage interniert. Die kirchlichen Gebäude in Bukarest sind besetzt, sein privates Vermögen geht verloren, die Inflation trifft die Familie hart. Durch seine diplomatischen Kontakte organisiert er Hilfe, betreut die Gemeinde und leitet sogar eine Schulkantine. Die rumänische Staatsbürgerschaft hat er nicht. Im Alter von 71 Jahren verabschiedet er sich von der Gemeinde und zieht zurück nach Deutschland. Dort setzt er seine Forscher- und Publizistentätigkeit bis zu seinem Ende fort.

 

Foto: Hans Petri mit den Schülern in Turnu Severin, Archiv Acker 

Die beste Zeit ist ... heute

"100 Jahre zusammen"


„Die beste Zeit ist heute“ antwortete Dr. Peter Datculescu, Direktor des Umfrageinstituts IRSOP, als bei der Pressekonferenz in den Räumen des Bukarester Evangelischen Pfarramtes gefragt wurde, welches in den letzten hundert Jahren die beste Zeit für die Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien gewesen sei. Diese Aussage war es, die die Auftaktveranstaltung im Gleichgewicht hielt. Sie stellte den Gegenpol zur Erinnerungskultur dar.

Verständlicher Weise wurde während der Tage die Vergangenheit besonders hervorgehoben, eine Zeit in der die evangelischen Gemeinden des Altreichs 20.000 Mitglieder zählten und in der Bukarest die zweitgrößte deutschsprachige Gemeinschaft außerhalb des geschlossenen Sprachraums - nach Sankt Petersburg - beherbergte. Gesicht – und Nestor – dieser vergangenen Epoche war und bleibt Stadtpfarrer Hans Petri (1880 – 1974). Aber auch an deutsche Konsule, Königinnen und Barone sowie an die Leitung durch das preußische Oberkonsistorium aus Berlin erinnerte man sich bei dieser Gelegenheit dankbar. Das geschah im Vortrag des Stadtpfarrers Dr. Daniel Zikeli, der den Prozess von dem Synodalverband der evangelischen Gemeinden an der unteren Donau zu der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien beleuchtete aber auch in dem vorgestellten TV Film und bei der Präsentation der Bücher von Hans Petri. Die Ausstellung der Kirchengemeinde arbeitet die Vergangenheit gekonnt und sichtbar auf.

Das Motto der Feier war das schlichte „Hundert Jahre zusammen“. Es enthielt aber somit das Zauberwort „Zusammen“, welches den Ablauf der Veranstaltung deutlich prägte. Dieses kann auch für die Zukunft der Bukarester evangelischen Gemeinde das entscheidende Wort sein.

Das strukturelle „Zusammen“ mit den Evangelischen aus Siebenbürgen ist in den letzten hundert Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden. Die beiden Pfarrer, Daniel Zikeli und Andrei Pinte, stammen dorther und sind in Hermannstadt ausgebildet worden. Die Zusammengehörigkeit mit Siebenbürgen hat durch seine Gegenwart und Predigt Bischof Reinhart Guib sinnbildlich zum Ausdruck gebracht. Auch die Teilnahme von Reiner Lehni, Vertreter des Verbandes der Siebenbürger Sachsen und der Gemeinschaft evangelischer Siebenbürger Sachsen aus Deutschland zeigte, dass das Altreich von den Sachsen „adoptiert“ wurde. Die Zukunft liegt eindeutig in der Ausweitung solchen gemeinsamen Tuns auf unterschiedlichsten Ebenen. So wurde dieses programmatische „Zusammen“, z.B. konkret mit der internationalen Ökumene sichtbar. Es kamen Gäste aus Ungarn, Österreich, Tschechien, der Slowakei und Deutschland, die alle großes Interesse am evangelischen Bukarest zeigten. Sie kamen mit Bischof Pál Lackner (Budapest), Prof. Dr. Karl Schwarz (Wien) und Dr. Wilhelm Hüffmeier (Berlin) bei der Podiumsdiskussion zu dem Weg der evangelischen Gemeinden in der Neuordnung Europas - zusammen mit den Gastgebern - zu Wort. Das evangelische Leben innerhalb des Altreichs selbst steht und fällt mit dem Zusammen der verstreuten evangelischen Gläubigen, die zu dem Gedenken aus dem Dreieck Iasi – Constanta - Craiova angereist waren. Auch innerhalb von Bukarest ist es schon eine Herausforderung, die Mitglieder von Drumul Taberei bis Militari zusammen zu führen! Die eröffnete Ausstellung „Gesichter“ zeigt ebenfalls das Zusammensein aller evangelischen Gemeinschaften als geschwisterliche Schicksalsgemeinschaft. Doch es gibt schon gelebte Realität des Zusammen-Seins:  Das mit der Bukarester Öffentlichkeit. Dieses verdeutlichte das Orgelkonzert, welches Vlad Nastase gespielt hat, zu dem die Musikliebhaber der Stadt mit eingeladen - und gekommen - waren. Gleiches gilt auch für das sprachliche „Zusammen“, wurde doch am Haupttag der Veranstaltung durchgehend ins Rumänische übersetzt. Es lässt sich aber auch zusammen mit den Menschen, die in der Vergangenheit biographisch mit Bukarest verbunden waren, Zukunft bauen. Das zeigten Udo Acker, der Enkelsohn von Hans Petri sowie der ehemalige Bukarester Pfarrer Christian Reich, die speziell zur Veranstaltung angereist waren. Nachholbedarf im Zusammen-Sein mit der lokalen Ökumene sollte aber auch angezeigt werden. Dankenswerterweise kamen zur Veranstaltung Vertreter der griechisch-katholischen und armenischen Kirche, leider aber keiner der großen orthodoxen, römisch-katholischen oder auch reformierten Kirchen. Das ist und bleibt ein Stachel im Fleisch.

Somit hatte die Veranstaltung eine doppelte Botschaft: Einesteils war es der Stolz und die Genugtuung angesichts einer großen Vergangenheit der evangelischen Gemeinden im Altreich, andernteils der Impuls zur klugen Nutzung der geschenkten Gaben im Jetzt und Heute.

 

Foto: Vernissage der Ausstellung Gesichter (EVKIB)

 

 

 

 

 


Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche A.B. Bukarest durchgeführt


Die Veranstaltung wird von der Beauftragten für Kultur und Medien über die 

Kulturreferentin für Siebenbürgen, Bessarabien, Bukowina, Dobrudscha, Maramuresch, Moldau, und Walachei unterstützt. 


Die Veranstaltung wird von dem Freistaat Bayern durch das Haus des Deutschen Ostens, München gefördert.


Die Veranstaltung wird  von dem Evangelischen Freun-deskreis Siebenbürgen unterstützt..



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