Schon früh fanden die Schriften der Wittenberger Reformatoren in Siebenbürgen Leser. Durch Kaufleute von der Leipziger Messe mitgebracht, zeigten sie Wirkung. Aber zu einer Wechsel-Wirkung zwischen Wittenberg und Siebenbürgen kam es erst ab 1542, als Johannes Honterus seinen engsten Mitarbeiter Valentin Wagner zu Melanchtion entsandte. Daraufhin sollten die reformatorischen Umwandlungen in Kronstadt systematisch beginnen.
Was für eine Autorität den Wittenbergern zugeschrieben wurde, zeigt ein anderer Aspekt der Historie. Über den Hermannstädter Matthias Ramser gelangte das Reformationsbüchlein des Honterus nach Wittenberg, wohin dieser es in der Absicht schickte, eine Beurteilung zu erhalten, ob die Vorgänge in Kronstadt gut reformatorisch, d.h, lutherisch seien. Das Büchlein wurde positiv aufgenommen. Melanchton regte sogar eine Neuausgabe mit eigenen Vorwort an und Luther äußerte sich in dem Rückbrief an Ramser: "Alles, was du mich fragst, findest du in diesem Büchlein besser, als ich es dir schreiben kann. Denn es gefällt mir sehr, daß so gelehrt, rein und gläubig geschrieben ist. Daher lies dieses Büchlein und setze dich ins Einvernehmen mit den Dienern der Kronstädter Kirche, sie werden dir die besten Mithelfer für die Verbesserung deiner Kirche sein. Denn sie sind in dem Büchlein fleißig der Einrichtung unserer Kirche gefolgt, auf das und auf die ich dich hinweise."
Zwar hatte die Siebenbürgische Reformation, durch die selbstorganisatorische Implikation der Städte schweizerische Züge, allerdings waren diese Formen etwas, was Martin Luther sich in seiner ersten Zeit auch gewünscht hätte.
Die Universität Wittenberg war ein natürlicher Anziehungspunkt für die reformatorisch gesinnten Studenten. Von der ersten Immatrikulation (1523) bis zu der Schließung der Universität (1815) schrieben sich über 1.500 Studenten aus Siebenbürgen ein. Dazu gehörten etwa Kaspar Helth, der später unitarisch werden sollte und Martinus Hentius, der ebenda, 1543, von Bugenhagen ordiniert wurde.
Bild: "Schwur des Kronstädter Rates auf das Reformationsbüchlein von Honterus" Fritz Schullerus
Die Frage nach den unterschiedlichen Kontexten von Kirche wird mi Berechtigung gestellt. Denn es geht nirgends nur um dogmatische Fragen, sondern diese werden jeweils auf der Folie des Kontextes beantwortet. Glaube verbindet sich unwillkürlich mit Kultur. Es ist inzwischen ein anerkanntes Faktum der Literaturwissenschaft, dass der Leser Teil des hermeneutischen Prozesses ist und sich selber in die Interpretation einbringt. Das mag auch in Glaubensdingen nicht anders sein.
Das Motto des Kirchentages Berlin/Wittenberg "Du siehst mich!" ist eine hervorrgende Überschrift, um die Feinheiten des Kontextes anzusprechen. Wie oft geschieht es, dass wir nach einem einzigen Blick schon urteilen? Wir fällen unser Sofort-Urteil aber, indem wir unsere Überzeugungen - erwachsen aus dem eigenen Kontext - zum absoluten Maßstab erheben. Oft wäre aber ein zweiter und auch ein dritter Blick notwendig, um den anderen wirklich zu sehen, geschweige denn um seine Beweggründe zu verstehen oder gar zu akzeptieren. "Du siehst mich!" ist keine Selbstverständlichkeit sondern eine Notwendigkeit und eine steter Lernprozess.
Für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien gehören zu dem Kontext die konfesionelle Minderheitensituation in einem orthodoxen Umland sowie die Existenz in extremer Diaspora dazu. Ihr Leben, Denken und Arbeiten wird mit geprägt von der historischen Kontinuität einer deutschspachigen Kultur im Osten Europas sowie von der Tatsache, dass Rumänien zu den wirtschaftlich ärmsten Ländern Europas gehört.
Diese Aspekte will die EKR bei Ihrem Dabei-Sein in Berlin und Wittenberg in den Vordergrund stellen.
Bild: Logo des Kirchentages Berlin/Wittenberg
Es ist gemeinhin bekannt, daß in Wittenberg ein "Luthergarten" 500 Bäumchen aus aller Welt beherbergt. Diese sind im Laufe der Jahre gepflanzt worden, um die weltweite Verbundenheit mit der Originalstätte der Reformation zu dokumentieren. Auch die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien hat dort schon ein Linde stehen, gepflanzt von weiland Bischof D.Dr. Christoph Klein. War denn dann noch ein weiteres Bäumchen aus Siebenbürgen in Wittenberg notwendig?
Nicht das Batull-Bäumchen, welches am Rande des Deutschen Evangelischen Kirchentags gepflanzt wurde, war allerdings das Entscheidende, sondern die Tatsache, dass neue und alte Freude Siebenbenbürgens zusammen der Reformation gedachten. So wird das Netzwerk der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien erhalten und gefördert.
Unter der umsichtigen Leitung des Regionalbischofs Halle-Wittenberg, Dr. Johann Schneider, begann der Fest- und (Kommunikationsakt) mit der Mittagsandacht in Sankt Marien, der Wittenberger Stadtkirche. Hier wurde auch der vielen Bootsflüchtlinge gedacht, die ihr Leben veloren haben und es gegenwärtig noch tun.
Danach zog die bunte Gruppe ins Kirchliche Forschungsheim weiter, wo im Garten alles schon vorbereitet war. Der Baum, die Schaufeln, das Wasser, Musik und ... ein Rutschauto. Ja, ein rotes Spielauto prangte neben dem zu pflanzenden Baum, Eigentum der dort wohnenden Familie - und unvorhergesehen dadurch ein Zeichen des Lebens, welches sich immer einen Weg bahnt!
So festlich auch die Ansprachen unter der Moderation von Pfarrer Denis Arion (DWDE) waren, das rote Rutschauto ließ sich nicht verdrängen! Dr. Justus Werdin (EKBO Berlin) sprach zu der Apfelplanzung und der Oberbürgermeister von Wittenberg, Thorsten Zugehör und der Superintendent von Wittenberg, Christian Beuchel grüßten. Die Organisatoren kamen durch Bischof Reinhart Guib (Hermannstadt) und Regionalbischof Dr. Schneider (Halle-Wittenberg) zu Wort. In dem kleinen Symposion das folgte, sprach Dr. Harald Roth (Deutsches Kulturforum im östlichen Europa) zu den Beziehungen zwischen Wittenberg und Siebenbürgen und Dr.Stefan Cosoroaba (EKR) über den gegenwärtigen Kontext der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Bei einem guten Glas Wein aus dem Hermannstädter Bischofskeller und einem herzhaften Imbiss, ausgerichtet von der Kirchengemeinde Uebigau, wurden weiter Gedanken und Fäden gesponnen. Einer davon ist eine mögliche, zukünftige Partnerschaft zwischen Wittenberg und Mediasch.
Das Batull-Bäumchen befindet sich in Wittenberg sicher in guten Händen. Die kleinen Besitzer des roten Rutschautos haben schon fleißig gegossen...
Spezielles PS für nicht ganz eingeweihte Leser:
Man möge sich von der Verpackung nicht trügen lassen. Nicht nur auf dem, wo "Siebenbürgen" darauf steh,t ist auch nämliches drin! Sowohl Dr. Schneider als auch Dr. Roth stammen aus Siebenbürgen und das Pfarrehepaar Gudrun und Ingolf Walter aus Uebigau hat an dem Theologischen Institut in Hermannstadt studiert!
Die Aktion am Freitag wird von dem Regional-sprengel Halle-Wittenberberg der EKM organisiert und mitgetragen.
Die Stationen des Jahres 2017 werden von dem Freistaat Bayern, durch das "haus des Deutschen Ostens", München gefördert.