Mitten in einem konfessionell verfeindeten Europa beruft König Johann Sigismund im Januar 1568 den Siebenbürgischen Landtag nach Thorenburg, um über die Streitigkeiten der Konfessionen zu sprechen. Dabei ist auch der Klausenburger Reformator Franz Davidis, der dem Antitrinitarismus zugetan ist und Zeugnis ablegen darf. Nach harten und theologischen Auseinandersetzungen beschließen die drei Stände Siebenbürgens - die Adligen, die Szekler und die Sachsen - etwas für das damalige Europa Undenkbares: Ein Toleranzedikt wird am 13. Januar 1568 beschlossen und erlassen. Ab nun sollen in Siebenbürgen die Lutherische, Calvinistische, Katholische und Unitarische Konfession, als "religio recepta" untereinander gleichgestellt sein, Das Kirchenwesen nach byzantinischen Ritus, die Orthodoxe Kirche der Rumänen, erhält den Stellenwert einer erlaubten Konfession, einer "religio licita". An allen Orten sollen die Prediger ab nun in ihrer Weise predigten dürfen.
Damit wird die religiöse Toleranz in Siebenbürgen frühzeitig festgeschrieben Auch wenn es immer wieder Übergriffe gab, so wird diese Toleranz bis heute gelebt.
Bild: Zeichnung nach einem alten Gemälde der Stadt Thorenburg
Die heutigen schwierigen Grenzen zwischen Gruppen sind kaum noch zwischen den einzelnen Kirchen zu finden. Bei aller Identitätstreue bildet man kaum noch eigene Milieus und konfessionsverbindende Familien sind eine Selbstverständlichkeit. Religion wird in einer individualisierten Gesellschaft verstärkt als Privatsache angesehen. Es gibt daher ein gutes ökumenisches Miteinander; im schlechtesten Falle mindestens ein Nebeneinander. Und dennoch ist Toleranz eine bleibende und wichtige Herausforderung.
Die zunehmende Präsenz des Islams in Europa und die Attentate, die in seinem Namen von radikalen Gruppen ausgeführt werden, haben die Toleranzschwelle bei vielen Menschen deutlich erhöht. Längst überwunden geglaubte Risse tauchen in der Gesellschaft wieder auf und bekommen in der Politik ein Gesicht und Stimmen. Und dabei geht es nur zum geringen Teil um den Faktor "Religion". Es geht vielmehr um die eigene Angst vor dem Fremden, eine Angst die heute diese spezifische Ausdrucksform angenommen hat. Doch diese Urangst vor dem Fremden hat nicht nur einen Ausdruck. Sie erscheint auch in der Angst Europas vor rumänischen und bulgarischen Bürgern, in der Distanz der Briten gegenüber Europa, in dem Frust der Griechen gegenüber den Deutschen, in der Ablehnung der Roma durch die Rumänen und Ungarn. Weiteres kann aufgezählt werden.
Kann Toleranz gelernt und verlernt werden?
Bild: Romafrau in Hermannstadt an dem internationalen Tag der Roma, 8. April 2013
Als nationaler Auftakt des Reformationsjubiläums ausgelobt, wurde das Pflanzen des zweiten Apfelbäumchens im siebenbürgischen Thorenburg/Torda/Turda, zu einer ökumenischen Veranstaltung auf höchster Ebene. Auf die Einladung von Bischof Reinhart Guib versammelten sich geistliche Vertreter aller siebenbürgischen, historischen Kirchen. Es kamen – und sprachen je ein geistliches Wort – der reformierte Bischof Kato Bela, der lutherische Bischof Dezsö Adorjáni, der griechisch-katholische Bischof Florentin Crihălmeanu, der orthodoxe Bischofsvikar Iustin Tira, der unitarische Bischofsvikar Gyerö David und der römisch-katholische Ortsgeistliche György Ferenc, welcher auch seine Kirche für diesen Gottesdienst öffnete. Dieses harmonische Miteinander, vor genau so gemischter Gemeinde, haben mehrere Redner als „Wunder von Turda“ bezeichnet, und es war auch eines. Denn wo sonst in Europa kann man in drei Sprachen das Lied der Reformation „Ein feste Burg ist unser Gott“ in einer römisch-katholischen Kirche singen? Dazu noch gesungen von Christen von fünf Bekenntnissen!
Das namensgebende Apfelbäumchen wurde dann, nach dem Segen aller Bischöfe, vor dem reformierten Kirchengebäude gepflanzt. Dazu sprach der evangelische Ortspfarrer Gerhard Wagner. Alle anwesenden Honoratioren legten mit Hand auf die zahlreichen Schaufeln. Der Präfekt des Landkreises Cluj-Napoca, Herr Gheorghe Vușcan, zeigte sich in seinem Wort von dem Geist von Turda überrascht, denn nicht einmal er – als oberster Regierungsvertreter im Landkreis - hatte von dem Toleranzpatent 1568 gehört. Somit haben die Kirchen weiterhin eine große Aufgabe, die Botschaft der geschichtlich verankerten Toleranz in die Gesellschaft zu tragen. Die Vertreter der Kirchen sprachen dann auch anschließend, in einem kleinen Symposion in der reformierten Kirche zu dem Thema: Pfr. Prof. Liviu Jiteanu (Römisch-Katholische Kirche), Pfr. Prof. Ioan-Vasile Leb (Rumänisch-Orthodoxe Kirche), Pfr. Dr. Wolfgang Wünsch (Evangelische Kirche A.B.), Prof. Dr. Sandor Kovacs (Unitarische Kirche). Wie unter Geschwistern konnte auch zur Sprache kommen, dass die Toleranz des 16. Jahrhunderts zwar einmalig, aber nicht unangefochten war, da z.B. die Orthodoxe Kirche nur „toleriert“, aber nicht ”rezipiert” war. Einzelne Aufroller der Ausstellung „Reformation im Osten Europas – Siebenbürgen“ unterstützten die Veranstaltung visuell. Die reformierte Kirchengemeinde ließ es sich am Schluß nicht nehmen, alle (noch) Anwesenden zu einem kleinen Empfang zu laden.
Träger der Station "Turda" war die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien mit dem Evangelischen Bezirkskonsistorium Mühlbach, der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, die Römisch-katholische Erzdiozöse Alba Iulia mit dem Pfarramt Thorenburg , das Reformiertes Bistum Siebenbürgen mit dem Pfarramt Thorenburg sowie das Deutsche Kulturforum östliches Europa.
Die Stationen des Jahres 2016 werden von dem Freistaat Bayern durch das "Haus des Ostens" München gefördert.