Selbst wenn die ersten Zeichen der Reformation in Hermannstadt zu finden sind (1523), so verlagert sich in der Folgezeit - besonders nach der Rückkehr des Johannes Honterus nach Siebenbürgen (1533) - der Schwerpunkt nach Kronstadt, wo die Bewegung eine breite Unterstützung findet und der damalige Stadtpfarrer Jeremias Jekel bereits erste Schritte unternommen hatte. Der Chronist Hieronymus Ostermayer hält danach für das Jahr 1542 fest: "Eodem anno. Hat man im Monat Octobris angefangen evangelische Mess zu halten in Croner Kirche und die papistische weggeschafft, Gott und seinem Heiiigen Namen zu Ehren. Amen - Item hat Herr Joannes Fuchs durch den hocherleuchten und recht gelehrten Mann Magistrum Joannem Honterum die Reformation der Kirchen aufgericht in Burzenland und im Druck lassen ausgehen."
Das von Honterus für Kronstadt und das ganze Burzenland daraufhin herausgegebene Reformationsbüchlein (1543) gibt nun Auskunft über das Was und Wie der kirchlichen Umgestaltung. Eine Visitation, geleitet von Honterus, führte zudem die Reformation im ganzen Burzenland flächendeckend ein. Ob die Schrift jedoch im wittenberger, schweizer oder aber humanistischen Geist verfasst wurde, ist nicht eindeutig zu klären. Mit dem Reformationsbüchlein brachte der Reformator einen goßen Stein ins Rollen, der nicht nur regional sondern auch umfassend wirksam war. Denn das Büchlein wurde auch außerhalb des Burzenlandes gelesen und tätigte seine Wirkung. So wurde das Kronstädter Reformationsbüchlein die Grundlage für die umfassende und vermittelnde Schrift "Reformatio Ecclesiarum Saxonicarum in Transylvania" (1547), die auf Anregung der Nationsuniversität ebenfalls bei Honterus herausgegeben wurde. Diese sollte aber alle Gemeinden der sächsichen Superintendentur auf einen Nenner bringen. Die Reformation trat in ihre Konsolidierungsphase ein.
Vergessen wir aber nicht, dass all diese Entwicklungen unter labilen politischen Umständen, drohender Kriegsgefahr und mit katholischem Gegendruck geschah.
Bild: Standbild des Johannes Honerus neben der Schwarzen Kirche Kronstadt
Zu allen Zeiten gab es Umbrüche in der Identität unserer Altvorderen. Das gilt für die Zeit der Reformation und es gilt auch für das jüngst vergangene 20. Jahrhundert. Es ist lediglich eine Frage der Perspektive, dass uns Umbrüche der frühen Vergangenheit als Kontinuität erscheinen, während Umbrüche der Gegenwart als Abbrüche wahrgenommen werden. Wir sollten uns aber der großen Herausforderung stellen, auch heute im existentiell erlebten Wandel nicht nur Verlust zu sehen, sondern auch Kontinuität und Bewahrung von Identität. Hat das evangelische Kirchenmitglied, welches 1550 Teil einer festgefügten Burzenländer Gemeinde war - selbstverständlich sächsisch sprach und dessen Leben sich in der Nachbarschaft vollzog, - etwas gemeinsam mit dem evangelischen Siebenbürger a.D. 2017, der in einer rumänisch dominieten Optionsgesellschaft individualisiert lebt, sich digital verbindet und Deutsch bestenfalls als zweite Sprache spricht?
Ist evangelisches Leben im heutigen Rumänien etwas gleichermassen Exotisches wie auch Überflüssiges, oder hat es einen konstitutiven Platz in der geistlichen Landschaft?
Es sind Fragen, auf die der Kirchentag in Kronstadt Antwort suchen will. Die evangelischen Christen von 1550 wie auch diejenigen von 2017 sind - als Kinder ihrer Zeit - "Evangelisch mit Herzen, Mund und Händen."
Abbildung: Das Logo des Kirchentages 2017 in Kronstadt
Der reformatorische Kirchentag in Kronstadt war genau das, was er sein sollte: ein Fest der Selbstvergewisserung einer christlichen Gemeinschaft, die in den letzten Jahrzehnten enormen Herausforderungen ausgesetzt war. Die banalste - aber korrekteste - Schlußfolgerung zog vielleicht der ungarische Stadtrat Geczi Gellert innerhalb des laufenden Podiumsgespräches. Er antwortete auf die Frage, ob die evangelische Kirche A.B. in Rumänien eine Zukunft hätte, dass angesichts der Fülle dieses Kirchentages ihr Leben überhaupt nicht in Frage gestellt werden könne.
Das spürten in ähnlicher Weise die über 1.000 Teilnehmer, die rund um die Schwarze Kirche den Haupttag des Kirchentags miteinander erlebten. Die sächsische und gleicherweise multiethnische Gemeinschaft rund um das Augsburger Bekenntnis, erfuhr sichtbar, dass ihre Art zu Glauben in Rumänien weiterhin einen Ort und Sinn hat. Sie spürte, dass dieses über ethnische Grenzen hinweg mit der evangelischen-lutherischen Kirche möglich ist, dass die europäische Einbindung der EKR tragend ist und dass die Spannung zwischen der Hochkultur der Schwarzen Kirche und der ländlichen Kultur der Dorfgemeinschaften nicht störend, sondern im Gegenteil fruchtbar ist. Sie spürte, dass Leben nicht nur erduldet sondern auch gestaltet werden kann.
Und mittendrin wurde im Hof der Obervorstädter Kirche ein Apfelbäumchen gepflanzt. Worte dazu sprachen die Generalsekretäre der Diasporawerke der EKR, Enno Haaks (Gustav-Adolf-Werk) und Michael Hübner (Martin-Luther-Bund), die zu den besten Freunden der EKR gehörten. Sie zeigten die Fäden des feinen Netzwerks auf, dass die evangelischen Siebenbürger Sachsen trägt. Ulrich Andreas Wien sprach danach zu den Netzwerken der Reformation, durch die die Inhalte der Reformation über Länder und Sprachgrenzen hin und her wanderten.
Die den Tag abschließende, frisch komponierte "Konstädter Messe" belegte das tragende Miteinander augenscheinlich: In fünf Sprachen wurde Gott mit voller Kirche gelobt und gedankt.
Die Aktion "Apfelbäumchen" am Samstag, wird von der Honterusgemeinde Kronstadt mitgestaltet.
Die Stationen des Jahres 2017 werden von dem Freistaat Bayern, durch das Haus des Deutschen Ostens, München, gefördert.
Foto: Ulrich Andreas Wien bei dem Workshop der Pflanzung