In der Ausbildung der mittelalterlichen sieben freien Künste waren innerhalb der Grundausbildung des Triviums Rhetorik, Dialektik und Grammatik vorgesehen. Das zeigt, dass Umgang mit Sprache und Sprechen nicht nur heute wichtig ist, sondern schon immer wichtig war. Durch die Ausrichtung der Renaissance auf die Klassik, war für die Humanisten besonders auch qualitätsvolles Latein wichtig. Sie wendeten sich daher von dem üblichen mittelalterlichen Latein ab, hin zu dem klassischen Latein. Dabei wollten sie nicht nur sprachliche Formen, sondern auch Inhalte jener Epoche übernehmen. So stand etwa Cicero im Zentrum der Ausbildung. Von ihm konnte man nicht nur den Akt des Sprechens lernen, sondern auch seinem Denken nacheifern. Das Griechische stand hinter dem Lateinischen etwas zurück, hatte aber als Sprache des Neuen Testaments seine eigene Bedeutung. Große Namen wie Erasmus von Rotterdam oder Philipp Melanchton prägten die Pädagogik jener Zeit.
In dieser Tradition stand auch Johannes Honterus, der in seiner Krakauer Zeit unter dem Namen Johannes Georgii de Corona, artium magister Viennensis immatrikuliert war, und danach dort als Dozent wirkte. Daselbst schrieb und druckte er unter anderem das Buch "Gramatica Libri Duo", eine lateinische und griechische Grammatik die ihm zu humanistischem Ruhm verhelfen sollte. Sie hatte so einen durchschlagenden Erfolg, dass sie danach in weiteren 14 Auflagen (die letzte 1562) erschien.
Abbildung: Holzschnitt mit Darstellung des mittelalterlichen Krakau
Es ist ein Erkenntnis der Moderne, dass "Sprache" - in jeder ihrer Formen - nicht selbstverständlich ist. Sie ist zwar etwas Eigenes, hat aber Teil an den allgemeinen Regeln der Kommunikation. Inzwischen ist die Kommunikationsforschung von den Universitäten nicht mehr wegzudenken. Dabei wird konzeptionell weit über die gesprochene Sprache hinaus gedacht, begonnen mit der nonverbalen Kommunikation bis hin zu den digitalen Sprachen.
Aber auch die gesprochene Sprache bleibt weiterhin Thema. Das Verschwinden der lokalen Sprachen und Dialekte geht einher mit der Verarmung des geistlichen Erbes der Menschheit, da jede Sprache den Zugang zu einer anderen Kultur und damit einer anderen Weltanschauung eröffnen kann. Die Globalisierung von Sprache, kombiniert mit der Reduktion der Sprachfähigkeit von ganzen Generationen und sozialen Schichten, die durch die intensive Nutzung der digitalen Medien verstärkt wird, verändert das tägliche Verhalten des Menschen. Das "simsen" von Nachrichten in der Familie, von einem Tischende zum anderen ist keine Zukunftsvision sondern ist Alltag. Wo vor einigen Jahren noch miteinander gesprochen und gestritten wurde, wir nun individuell... ein Pokemon gejagt.
Ist das eine normale Entwicklung oder ist es Verfall? Ist es lediglich das klassische Klagen, dass "früher" alles besser war als "heute"? Ist es Traditionsbruch oder Traditionsabbruch?
Abbildung: Symbolbild Sprache
Krakau ist im Frühjar 2017 - nach 500 Jahren -erneut auf der geistigen Landkarte der Siebenbürger sichtbar geworden. Mehrmals und aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen sind die geistigen Nachfahren des Reformators Johannes Honterus an die Stadt unter dem Wawelhügel gereist. Auch wenn man von Hermannstadt nach Krakau heute 16 Stunden Autofahrt zu bewältigen hat, so fühlt mach sich in dieser Stadt sofort zu Hause. Man versteht, wieso in der Zeit des Humanismus diese Universität eine tatsächliche Option für die Studenten aus Siebenbürgen war. Man versteht auch, warum Krakau heute ein Ziel für so viele Besucher aus aller Welt ist.
Der Höhepunkt der "siebenbürgischen" Begegnungen in Krakau war das Wochenende 14./15. Mai 2017. An diesem Samstag fand unter freundlicher Gastgeberschaft des Goethe-Instituts-Krakau, in den Räumen des Palais Potocki , auf dem "Großen Ring" der Stadt, ein spannendes Kolloquium zum Thema Sprache statt. Es kamen Gäste aus Siebenbürgen, Deutschland und Polen. Nach Grußworten von Friedrich Philippi (Evangelische Kirche A.B. in Rumänien), Alfred Mrass (Verband der Siebenbürger Sachsen) und Renata Kopyto (Nürnberger Haus) kam Dr. Henryk Mazepa von der Jagellonen-Universität zu Wort. Er sprach in spannender Weise über "Sprache heute". Danach beschrieb Dr.Dr. Gerald Volkmer vom Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa aus Oldenburg, in umfassender Weise, die Zeit des Honterus in Krakau. Der Abend klang dann in vielen Gesprächen aus.
Am anschließenden Sonntag öffnete die Evangelische Sankt-Martin-Kirche, im Schatten der Wawel-Burg, den Gästen aus Siebenbürgen die Tore. Ortspfarrer Roman Pracki hatte für den Sonntag Kantate einen Abendmahlsgottesdienst vorgesehen, in dem sowohl Gastgeber als auch Gäste zu Wort kamen. Professor Dr. Berthold Köber stellte den Gemeindegliedern die historische Gestalt des Johannes Honterus vor und Dechant Bruno Fröhlich aus Schäßburg predigte zu Hebräre 4 über die Macht des Wortes, welches unter anderem auch als "klares Wort" erklingt. Der Gottesdienst schloß mit der Pflanzung des Apfelbäumchens und einem Gemeindeempfang, der gute polnisch-deutsche Kommunikation ermöglichte.
Das Batull-Apfelbäumchen aus Siebenbürgen steht nun vor der Sankt-Martin-Kirche, auf der kleinen Grünfläche zur Straße hin, gut sichtbar für jeden, der an der Kirche vorbeigeht, um vom Wawel zur Marienkirche zu gehen.
Träger der Station "Krakau" sind die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, das Goethe-Institut-Krakau, die Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Polen mit der evangelischen Kirchengemeinde Krakau.
Die Stationen des Jahres 2017 werden von dem Freistaat Bayern, durch das Haus des Deutschen Ostens, München, gefördert.